Wir haben uns „auf ein Wort mit“ Frau Plettenberg getroffen. Sie ist Syndikusrechtsanwältin und Referentin für Migrationsrecht bei der Caritas und hat uns ein paar spannende Einblicke in ihre Arbeit gewährt. Wir haben uns über ihr Verständnis der Arbeit im Migrationsrecht unterhalten, den Ablauf des Kirchenasyls, und über die aktuelle Lage des Rechts.
Was für Fälle erreichen Sie in Ihrem Büro? Wie arbeiten Sie?
Ich arbeite als juristisches Backup für die Sozialarbeiter*innen der Migrationsberatungsstellen der Caritas im Bistum Münster, indem ich per Mail oder per Telefon Rechtsfragen aus den Beratungsstellen der Caritas annehme. Außerdem bin ich Ansprechpartnerin der katholischen Kirchengemeinden im Bistum zu Fragen rund um das Thema Kirchenasyl.
In der Regel handeln sich die Fälle um die Frage, wie der Aufenthalt einer Person in Deutschland gesichert werden kann. Dabei begegnen mir oft Probleme mit Identitätsnachweisen, es erreichen mich auch viele Dublin-Fälle (Rückführungen innerhalb der EU) und abgelehnte Asylanträge, in denen ich dann schaue, welche nächsten Schritte vorgenommen werden sollten und könnten. In diesen Fällen geht es dann auch um die Frage, ob ein Kirchenasyl infrage kommt.
Wie verhält es sich mit dem Kirchenasyl, welche Erfahrungen haben Sie im Umgang damit
gemacht?
Die meisten Leute, die sich auf den Weg machen, um Kirchenasyl zu suchen, machen das aus gutem Grund, meist handelt es sich um einen Dublin-Fall. Die meisten Personen haben schlechte Erfahrungen in dem Zielstaat gemacht, da sie dort meist schlecht versorgt wurden oder dort obdachlos waren. Sie wollen dorthin verständlicherweise nicht zurück. Die Hürde aber, dies im Gerichtsverfahren darzulegen, also dass einem tatsächlich eine Gefahr für Leib und Leben droht, ist sehr hoch, die Verfahren sind einfach nicht sehr aussichtsreich. Die Menschen kommen dann zu mir, wenn es im Gerichtsverfahren nicht geklappt hat. Dann schaue ich mir ihren Fall an, und versuche die geltend zu machenden Fluchtgründe, das Herkunftsland, die Chancen auf alternative Aufenthaltstitel zu einer Perspektive zusammenzuführen. Wenn aussichtsreich ist, dass die Person einen Schutzstatus erhalten wird oder durch Integration eine Aufenthaltsmöglichkeit bekommt, dann kann ein
Kirchenasyl als sinnvoll vertreten werden. Auch wenn es mir als Juristin ein wenig Bauchschmerzen bereitet, da ich den Menschen, nicht mit dem Recht geholfen habe, sondern indem ich sie vor dem geltenden Recht beschütze. (…) Die größte Schwierigkeit ist es für die Betroffenen aber dann tatsächlich, eine Kirchengemeinde zu finden, die sich um die Aufnahme kümmert. Wenn die Gemeinden hören, dass das, was sie tun, ziviler Ungehorsam ist, sind die Reaktionen unterschiedlich. Die einen motiviert das total, die anderen lehnen es ab.
Empfinden Sie Ihre Arbeit als politisch?
Ja total, gerade das Migrationsrecht kann man nur politisch anwenden. Wir bei der Caritas empfinden uns auch anwaltschaftlich in unserer Arbeit. Die Personen, die zu uns kommen, verfügen über die wenigsten Ressourcen und stehen sich so einem riesigen Behördenapparat gegenüber. Letztlich geht es aber von beiden Seiten, also unserem und dem behördlichen, darum, dass Recht zur besten Geltung zu bringen, wenn auch manchmal mit unterschiedlichen Vorzeichen
Was war Ihr schönster Erfolg?
Der ist leider schon lange her, da hatte ich gerade angefangen, 2018. Eine Kollegin hat mich gebeten, sie bei einem Familiennachzug zu unterstützen. Es ging um drei Kinder aus Eritrea, deren Eltern schon hier waren und die Flüchtlingsanerkennung hatten, während die Kinder noch mit ihrer Großmutter in einem äthiopischen Geflüchtetencamp saßen. Nach langem Ringen mit der deutschen Botschaft in Äthiopien um das Erstellen eines DNA-Gutachtens um die Elternschaft zu beweisen, konnten diese Kinder dann einreisen. Das war so großartig, die Eltern haben sich so gefreut, das feiere ich immer noch, wenn es schlechte Tage gibt. Man muss auch diese guten Neuigkeiten richtig feiern, sonst geht einem manchmal so ein wenig die Motivation aus, wegen der vielen vielen traurigen Nachrichten, die es sonst gibt.
Wenn Sie die Migrationsrechtslage betrachten, was würden Sie ändern?
Zuallererst sollte es eine personelle Aufstockung in den Auslandsvertretungen und Behörden geben. Diese sind schlicht zu schlecht ausgestattet mit Personal. Das würde auch nicht zu mehr Abschiebungen führen, sondern vielmehr zu besserer und kompetenterer Bearbeitung der Fälle. Das andere wären die gesetzlichen Hintergründe. Ich würde mir wünschen, dass im Migrationsrecht nicht so sehr der Geist des Gefahrenabwehrrechts dominieren würde. Auch im Entwurf zur Vereinfachung der Fachkräfteeinwanderung scheint wieder eine Angst durch, eine Angst vor den sogenannten Pull- Effekten. Also die Angst, dass wenn in Deutschland die Aufnahmebedingungen zu einfach gemacht werden, sich dann Menschen aus der ganzen Welt auf den Weg hierher machen. Diese Angst hat sich auch in der Debatte um das Chancen-Aufenthaltsrecht gezeigt. Deswegen wurden im Zusammenhang mit der Fachkräfteeinwanderung beispielsweise für Menschen, die erfolglos Asyl beantragt haben, Hindernisse eingebaut, ihre beruflichen Expertisen und Kenntnisse zu nutzen. (…) Ich würde mir wünschen, dass man das Ganze einfach mal wissenschaftlicher angeht und schaut, ob es diesen Pull-Effekt überhaupt in der befürchteten Größe gibt. Wenn das gesamte deutsche Migrationsrecht an dieser Stelle ein bisschen durchlässiger wäre, und etwas mehr auf Ermöglichung statt auf Verhinderung aus wäre, dann würden wir vielleicht nicht den kompletten Fachkräftemangel lösen, aber an der ein oder anderen Stelle richtig gute Chancen schaffen.
Zum Weiterlesen verweisen wir auch auf den Caritasverband für die Diözese Münster e.V ( https://www.caritas-muenster.de/ ) unseren Instagram-Post zum Faktenfreitag am 10.03 zum Kirchenasyl und 10.02 zum Chancen- Aufenthaltsrecht.